Schon ein Jahr später, nämlich 1956, reist er quer durch Spanien. Das entsprechende Buch mit jetzt 227 Abbildungen gibt der Europa-Verlag heraus, es folgen Ausgaben in italienisch, holländisch, englisch und französisch. Bereits 1953 hat er den experimentellen Schwarz-Weiss-Film "Metamorphose" mit Spanien-Motiven und einer begleitenden Komposition von Bernd Alois Zimmermann gestaltet. Das Land ist ihm vertraut, und er liebt es.
01Der Stierkampf als urspanischer Mythos und Topos spielt schon in seinem Film eine Rolle. Es fällt auf, dass ebenso wichtig wie der Kampf selber die Zuschauer sind. Nicht durch eine Arena abgetrennt, geben sie sich selber der tödlichen Gefahr preis. 02Das Thema Statik gegenüber Bewegung behandelt auch ein zweites Bild: Ein Mann hält seinen Esel fest, währen ein Junge, in kompletter Unschärfe widergegeben, auf ihn zuschnellt. Ein berührender Moment der Teilnahme und Sorge. 03Einen andern spanischen Archetypus zelebriert die Begegnung eines wanderenden Landmanns mit einem Reiter. Die Weite und Dürre des Landstrichs und die endlose Strasse evozieren Don Quichotte und Sancho Pansa – die Helden der Saga von "La Mancha".
04Das spanische Dorf: Wolgensinger findet es in den Höhlensiedlungen bei Granada. Er ist natürlich begeistert vom Weiss der Häuser und lässt es sich nicht nehmen, es selber in einer ausgeklügelten Komposition zu thematisieren. 05Auch die Schornsteine bewegen ihn zu einem grossartigen Bild. Im Mittelpunkt stehen indessen die sozialen Probleme, vor allem der Kampf ums Wasser. 06Für den Schweizer ungewohnt, dreht sich vor allem das Leben der Frauen um dieses kostbare Gut. So feiern sie geradezu eine offenbar sprudelnde Quelle als Symbol des Lebens. 07Das Wasser wird in Tontöpfen und verführerischer Grazilität von drei Schönheiten heimgetragen. 08Oder es wird in Töpfen an einen Karren geschnallt. Und die Küche wartet, und damit der Reporter. 0910Der Sach-Photograph hingegen sieht die "Plastizität" der Holz-Karren. Auch wenn sie leer sind, und somit wohl noch eindrücklicher als anonymes Handwerk zu bestaunen, weisen sie auf das hin, was dieses Land dank dem Wasser gibt. Erntesegen.
11Zum Schluss unserer Spanien-Reise, die von Barcelona nach Andalusien führt, posieren stellvertetend für die Trias "Landschaft-Architektur-Menschen" ein Landarbeiter, dessen Gesicht im spanischen Schatten ruht, 12und eine schwarzgekleidete Frau, welche drei Schwertfisch-Köpfe zur Schau stellt. Zwei hält sie überquer in ihren starken Armen, der letzte ruht am Boden. Dieses Photo erreicht die Qualität der späten Aufnahmen des grossen Paul Strand. Es ist sowohl direkt und unverblümt real, und es birgt gleichzeitig ein schwer lüftbares Geheimnis. Ein Bildrätsel. Es geht etwas standhaft-Bedrohliches von ihm aus, etwas Surreales, weil Teile fehlen und die verbliebenen wie Mahnmale starren, was sich in der Mimik der Frau spiegelt, und doch die Poesie des Augenblicks und der feinen Tonabstufungen vor uniformem Hintergrund. Ein memento mori, ein sozialer Aufruf - ein Meisterstück.