Michael Wolgensinger war ein geselliger Mensch, und zusammen mit seiner Frau Luzzi ein grosszügiger Gastgeber. Insbesondere fühlte er sich der Literatur und den Literaten sowie dem Theater und Cabaret verbunden. So kehrten immer wieder viele Freunde in seinen Ateliers ein; ab 1936 zusammen mit Luzzi am Unteren Mühlesteg, ab 1942 im Studio an der Falkentrasse, ab 1946 am Zeltweg und ab ca. 1960 an der Promenadengasse in Zürich. Hier begegnete er Heinrich Gretler, der in seinem "Gottfried Keller" - Film 1940 als Stimme auftrat, dem engagierten Antifaschisten Walter Lesch, den Schauspielerinnen Mathilde Danegger, Elsie Attenhofer und Blanche Aubry, den Cabarettisten Hans Werner Lenz, Otto Weissert, den Schauspielern Zarli Carigiet oder Emil Hegetschweiler. Der ganzen Corona der damaligen Zürcher- und Schweizer Filmszene.
Er traf auf den Werkbund-Promoter Hans Curjel und die Architekten, Maler und Grafiker aus dem Umkreis des "Neuen Bauens" und der "Allianz". Im Bereich der Bildenden Kunst verbündete er sich mit Robert und Selma Gessner, mit 01Gottfried Honegger und Warja Lavater. Luzzi und Michael gehörten zu den Modernisten. Eine speziell innige Freundschaft verband sie mit den Lyrikern 02Paul Celan, 03Franz Wurm und 04Günter Eich, den Wolgensinger 1972 auch mit einem Film portraitierte. Die besonders herzliche, nahe Beziehung zu 05Moshé Feldenkrais zeigt sich in den Doppelportraits mit Luzzi 06und Michael Wolgensinger selber, 07ebenso in der Begegnung von Franz Wurm mit dem grossen Lehrer Moshé Feldenkrais. 08Wie sehr sich dessen Tätigkeit auch auf andere Gebiete erstreckt hat, dokumentiert die Aufnahme mit dem herausragenden Theater-Mann Peter Brook. Sie alle genossen die warme Atmosphäre in einem offenen Haus. Dies kommt auch gut in jenen Schnappschüssen zum Ausdruck, die eher beiläufig einfach die fröhlichen und geistreichen Anlässe dokumentierten.
Umgekehrt sind auch Portraits entstanden, in denen der Protagonist zu einer "Sitzung" zu erscheinen hatte. Diese statuarischeren Aufnahmen, eine Spezialität von Luzzi Wolgensinger, bringen uns die 09Fragilität Paul Celans nahe oder die 10Intellektualität von Günter Adler und die 11Urbanität von Franz Wurm. 12Auch das Portrait von Günter Eich zeugt von grosser Eindringlichkeit. 13Unser Lieblingsbild zeigt hingegen den auf einer Steinbank in Tegna im Tessin dösenden Faun (Günther Eich), bewacht von zwei engelhaften Dulcineen (14Ilse Aichinger und Luzzi Wolgensinger).