Home Biographie Fotografie Texte Bücher Filme Sammlungen Kontakt

Fabrikphotographie

Wohl ein Wort, dass heute im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Landesausstellung mehr denn je ausgesprochen wird. Wir wollen einmal diese Art Photographie und ihre Aufgabe etwas näher betrachten.

Sind Aufnahmen wohl w e r b e f ä h i g, wenn man dem Betrachter die oft hässliche Aussenansicht einer Fabrik zeigt, oder Totalaufnahmen eines Fabrikraumes (es muss dabei immer der "allergrösste" gezeigt werden) mit seinem unheimlichen Wirrwarr von Transmissionen, Kabeln, mit seinem oft sehr starken Rauch oder Dunst und zuguterletzt mit seinen Unmengen Fenstern, die dann meistens sehr überstrahlt den Eindruck eines dunkeln Raumes geben? Werden wir bei der Aufnahme den Arbeitsbetrieb unterbrechen oder, wenn wir die Arbeiter dabei zeigen wollen, die Männer wie Zinnsoldaten vor ihren Arbeitsplatz stellen und ihnen sagen: "Bitte jetzt fünf Sekunden ruhig stehen"? Ich glaube kaum, dass wir so zu wirklich überzeugenden Werbephotos kommen.

Gehen wir einmal den nächsten Weg! Wir wollen dem Beschauer nicht immer nur das Produkt zeigen, sondern wollen ihn durch einen Blick in den oft sehr interessanten H e r s t e l l u n g s v o r g a n g für das Produkt fesseln und ihm damit einen bleibenden Eindruck geben. Sieht er z.B. einen "spannenden" Arbeitsvorgang, so wird er sich öfters wieder an diese Foto erinnern, und unwillkürlich führt ihn der Gedanke zum entsprechenden Produkt. Wir haben also die Aufgabe, den Besucher durch eine ihn interessierende, spannende Foto zu fesseln.

Den bleibendsten Eindruck würde ihm natürlich ein persönlicher Besuch der Fabrik machen, und so legen wir auch einmal diese Annahme zugrunde. Der Besucher wird ziemlich sicher nicht am Eingang stehen bleiben und sich mit diesem "Gesamtblick" begnügen - nein, sein Blick wird ihn sofort an einen bestimmten Gegenstand, eine auffallende Maschine und dergleichen, fesseln und ihn, so er die Erlaubnis hat, dorthin ziehen.

Es gibt nun dreierlei Arten von Fabrikationsvorgängen, die zu zeigen sind.

1. Der v o l l a u t o m a t i s c h e V o r g a n g. Der Beschauer begnügt sich nicht mit dem schönen Glanz und der Grösse der Maschine; er will ja sehen, wozu sie da ist und was für ein Arbeitsprozess ihr zufällt. So geht er näher bis er schliesslich genau sehen kann, was diese Maschine leistet. Wie oft werden etwa an Ausstellungen Maschinen in Betrieb gezeigt, an die weder Zuschauer noch auch Photographen nahe genug herangehen können, um den Höhepunkt des Vorganges zu sehen.

Die Herstellung einer D e t a i l a u f n a h m e wird natürlich aus verschiedenen Auffassungen heraus erfolgen. Es hängt hier wieder ganz von dem aufzunehmenden Gegenstand ab. Stehen wir z.B. vor einer vollautomatischen Zigarettenmaschine, so wird kaum ein Mann die Aufnahme "beleben" müssen; denn uns interessiert in erster Linie der technische Vorgang. Der "Tabakwurm" fährt in einem Kanal, in dem er sofort durch das kurz vorher bedruckte Papier umwickelt wird, läuft durch eine Klebevorrichtung und wird, in die rechte Länge geschnitten, als fertiges Produkt über ein laufendes Band abgelegt. Wir müssen bei einer Reihe gleich wichtiger Vorgänge, wie es hier der Fall ist, wohl mehrere Detailaufnahmen machen; denn eine Gesamtaufnahme würde uns die einzelnen Vorgänge viel zu wenig genau zeigen.

2. Der Vorgang, der mit Hilfe einer M a s c h i n e durch den M e n s c h e n geleistet wird. Es gibt - glücklicherweise - auch heute noch Maschinen und Apparate, die eine Bedienung brauchen. Wir werden hier natürlich nicht den Apparat im Ruhezustand zeigen, sondern gleich die Handhabung durch den Menschen. Wir dürfen nie vergessen, die Photographie so herzustellen, dass sie der Schau des wirklichen Besuchers der Fabrik entspricht. Es besteht nun bei Aufnahmen mit Menschen immer die Gefahr, dass sie gestellt aussehen - weil sie ja auch meistens gestellt sind.

Ein Beispiel: Man bekommt oft in Kinos Werbefilme zu sehen, die einen Fabrikationshergang zeigen. Von einem dieser tausend Bilder eine gute Vergrösserung ergäbe oft eine absolut gute Werbephoto. Warum? Die Aufnahme ist aus dem wirklichen Vorgang gekommen, mit voller Bewegung, technisch möglich durch die kurze Belichtung von weniger als 1/25 Sekunde.

Ge b a n n t e B e w e g u n g ist die w a h r s t e und dadurch auch die b e s t e W e r b e p h o t o. Ich glaube, dass wir heute auch in der Photographie über genügend technische Mittel verfügen um die meisten Aufnahmen mit Momentbelichtung herstellen zu können.

3. Der Herstellungsvorgang der k e i n e n e i g e n t l i c h e n H ö h e p u n k t hat, das heisst, von dem wir nicht an einen bestimmten Punkt gefesselt werden, weil es bei dieser Art Maschine mehrere wesentliche Punkte gibt. Denken wir hier an eine Maschine der Stoffappretur, den Kallander. Der Stoff läuft über acht bis zehn übereinanderliegende Walzen und Trommeln, die verschiedenen Zwecken dienen. Es reizt uns nicht, den Stoff aus der untersten Walze herauskommen zu sehen; wir wollen den geschlossenen Vorgang der ganzen Maschine überblicken. - Es wird nicht mehr schwer sein, unsere Lehren aus dem Gesagten zu ziehen: der Beschauer will nicht einen riesigen (durch eine Weitwinkelaufnhme noch grösser gemachten) Raum sehen, sondern ihn interessiert vorallem der A u s s c h n i t t.

Noch eine Bemerkung über das G r ö s s e n v e r h ä l t n i s s bei Fabrik-aufnahmen. Wenn wir als Produkt einer Kesselschmide einen Zürichseedampfer im Bau sehen, müssen wir dabei dann gleich "möglichst viel davon auf der Aufnahme haben", damit man ja sieht, wie gross er ist? Eine geschickte Aufnahme, die die wuchtige Form des Rumpfes zeigt im Verhältnis zu arbeitenden Männern, wird uns gewiss mehr den Eindruck von Leistung und Grösse vermitteln.

Dies einige Betrachtungen und Ueberlegungen, die sicher zu besseren und in erster Linie zu weniger langweiligen Fabrikphotos führen können. Ein umsichtiger Photograph wird sofort die verschiedenen Möglichkeiten der Aufnahmeart überblicken können.

M. Wolgensinger

Separatdruck aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 23. Februar 1938