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Von der Farbfotografie

Mit Recht wird überall vom "Zeitalter" der Farbfotografie gesprochen.

Doch heute werden die "Zeitalter" viel rascher voneinander abgelöst und wir sind, kaum haben wir das eine richtig realisiert, schon im nächsten, -- doch reden wir nicht von dieser Betrachtungsweise.

Die technische Erfahrung, die uns bisher gegeben wurde, teils durch das Fortschreiten der Industrie und teils durch eigenes Erkennen, ermöglichen uns nun ein freies Spielen mit den Aufgaben.

Wer sich von der blossen farbigen Darstellung einer bisher schwarz-weiss aufgenommenen Foto befreit hat, und bei jeder Aufgabe von neuem die Lösung durch unbefangene Anwendung so vieler neuer Mittel gestaltet, der wird der Farbfotografie, wie wir sie heute handhaben sollten, gerecht werden.

Und wie sollen wir es tun?

In erster Linie müssen wir uns von jedem Drang zur möglichst "naturgetreuen" Darstellung befreien. Nehmen wir uns die schwarz-weiss Fotografie als Vorbild, die mit ihrer technisch bedingten Übertragung ins Abstrakte, eben das schwarz-weiss-graue, von selbst vieles für uns getan hat. Nun in der Farbfotografie müssen wir es aber selbst tun. Und wir können es, wir haben ja so viele Mittel in den Händen und sicher noch viel mehr, die wir nur ahnen.

Hier einige wenige aber typische Beispiele, zu denen sich von jeder Aufgabe her neue hinzufügen lassen.

Auswahl des Bildausschnittes so, dass die Zahl der Farben auf ein Minimum beschränkt wird.

Bewusstes Gegeneinanderstellen von Farben, so dass die eine die andere zu steigern vermag.

Beleuchten einzelner Stellen mit farbigem Licht oder mit ähnlichem Ziel, b e w u s s t e s Aufnehmen bei Mischlicht, z.B. Verwenden von Tagesslicht von mit Kunstlicht beleuchteten Dingen.

Reflexion von farbigen Flächen, die, wenn sie in der Aufnahme sichtbar sind, uns eine grüne Gesichtspartie als selbstverständlich akzeptieren lassen, oder wenn sie ausserhalb der Aufnahme aufgestellt sind, zu reizvollen Überraschungen führen.

Doch das reizvollste Gebiet für den Farbfotografen, der für die Werbung arbeitet, ist wohl das Experiment: Montagen direkt bei der Aufnahme, wodurch sich durch das Überdecken einzelner Farben neue überraschende oder bewusst geführte Farben ergeben.

Weglassen einzelner Farben bei der Herstellung der Farbkopie auf Papier, oder Hinzufügen einer neuen Farbe. Verwendung derselben Farbe zwei- oder mehrmals und Vertauschen der Andruckfarben, zum Beispiel rot zu blau oder blau zu gelb. Oder Ausdecken von Partien für den Ausdruck einer Farbe, wodurch sich einem völlig gewohnten Anblick, beispielsweise eines Augen - wenn es so gewünscht wird - ergeben.

Dieses Vorgehen regt den interessierten Farbfotografen zu neuem schöpferischen Gestalten an. Er v e r w e n d e t die ihm von der Industrie gegebenen Mittel, spielt mit ihnen, steigert dadurch Wesentliches, lässt Unbedeutendes weg und erfreut durch frische neue Sicht den Betrachter.

Dem Reklameberater hilft er damit, seine Ideen zu verwirklichen, den Grafiker unterstützt er mit einer Gestaltungsart, die seinen Wünschen entgegen kommt, und dem Drucker stellt er Originale zur Verfügung, die er für eine gute Reproduktion braucht: möglichst grossformatige, einwandfreie Diapositive oder Papiervergrösserungen im Dye-Transfer-Verfahren, dann, wenn Montagen notwendig sind.

Michael Wolgensinger

Michael Wolgensinger, 1913 geboren, lebt in Zürich, fotografiert und experimentiert leidenschaftlich mit allen Mitteln der Farbfotografie in seinem Atelier. Manchmal zieht er sich für einen Monat in südliche Länder zurück, lebt dort mit den Einheimischen und versucht sie zu fotografieren - und manchmal entsteht dabei ein Buch.